Schwimmende Offshore-Windenergieanlagen erleben Aufwind
Allein mit Offshore-Windenergieanlagen 11-mal mehr Strom erzeugen als die gesamte Welt verbraucht? Laut der Internationalen Energieagentur IEA wäre das gut möglich.
Das enorme Potenzial der Offshore-Windenergie sorgt weltweit für Schlagzeilen. Ende 2019 bestätigte der norwegische Energieriese Equinor seine massiven Investitionen in den schwimmenden Offshore-Windpark Hywind Tampen mit einer Gesamtleistung von 88 MW. Wenige Tage später veröffentlichte die Internationale Energieagentur IEA einen umfassenden Bericht mit erstaunlichen Erkenntnissen. Sie kam darin zu dem Schluss, dass schwimmende und fest verankerte Offshore-Windenergieanlagen bis 2040 zusammen 11-mal mehr Strom liefern könnten, als weltweit verbraucht wird, und ein Kapitalinvestitionspotenzial von 1 Billion US-Dollar haben. Hier kommt Bewegung in die Windkraftindustrie.
Drei Teilbereiche je nach Standort
Der moderne Windkraftsektor lässt sich grob in drei Kategorien unterteilen, je nachdem, wo sich die Windenergieanlagen befinden und welche Unterkonstruktion zum Einsatz kommt: These are: Onshore-Anlagen (mit Fundament im Binnenland), Nearshore-Anlagen (mit Fundament im Meeresboden) und schwimmende Offshore-Anlagen (auf einer über dem Meeresboden schwimmenden Plattform) – siehe Abbildung 1 auf der nächsten Seite. Schwimmende Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) werden auf einer schwimmfähigen Konstruktion errichtet. Dadurch können sie in Wassertiefen von mehr als 60 Metern eingesetzt werden, wo keine Fundamentverankerung im Meeresboden mehr möglich ist.
Obwohl in den letzten Jahrzehnten sowohl Onshore- als auch fest gegründete Offshore-Windenergieanlagen enormen Aufwind erlebt haben, sehen viele Experten das größte Zukunftspotenzial in den schwimmenden OWEA. Grund dafür ist, dass sich diese Anlagen in tieferen Gewässern und in größerem Abstand zur Küste errichten lassen, wo gleichbleibend hohe Windgeschwindigkeiten die sonst üblichen Schwankungen bei der Stromerzeugung reduzieren können. Ein weiterer Faktor, der sich günstig auf die Verbreitung schwimmender OWEA auswirken könnte, ist der zunehmende Widerstand der Öffentlichkeit gegen Windenergieanlagen an Orten, wo diese eine visuelle oder akustische Belästigung darstellen.
Größtes Potenzial bereits ausgeschöpft
Schwimmende OWEA erhalten auch deshalb immer mehr Aufmerksamkeit, weil das größte Potenzial vieler Onshore- und Nearshore-Anlagen bereits ausgeschöpft ist. Natürlich gibt es noch Tausende weitere mögliche Onshore- und Nearshore-Standorte, doch der wachsende Widerstand gegen die Windräder macht sich hier durchaus bemerkbar. Es ist das klassische Problem, wenn es sich um wichtige Infrastruktur für die Gesellschaft dreht, wie zum Beispiel um Kraftwerke oder Mülldeponien: Jeder weiß, dass es nicht ohne geht, aber niemand möchte sie in seiner Nähe haben.
CEO von Equinor: 80 % in tiefen Gewässern
In Kombination begünstigen diese Faktoren den Ausbau schwimmender OWEA, insbesondere in tieferen Gewässern. Bei der Bekanntgabe der endgültigen Entscheidung von Equinor zur Realisierung des 88-MW-Projekts Hywind Tampen, das Investitionen von rund 550 Millionen US-Dollar vorsieht, machte der CEO Mr. Eldar Sætre die Beweggründe des Unternehmens deutlich.
„Etwa 80 Prozent des weltweiten Potenzials für Offshore-Windenergie liegen in tiefen Gewässern“, so Eldar Sætre, CEO von Equinor.
„Und schwimmende Offshore-Windenergieanlagen können eine wichtige Rolle bei der Energiewende hin zu einer nachhaltigen globalen Energieversorgung spielen“, fährt er fort.
A key motivator for Equinor to undertake this project is that the electricity generated will be used on the nearby Gullfaks and Snorre oil platforms, directly reducing the use of gas and thereby CO2 emissions by 200,000 tons per year.
Erster Schritt in Richtung 1.000 MW
Laut Arne Eik, Lead Business Developer for Offshore Wind bei Equinor, ist Tampen nur ein Schritt des Unternehmens auf seinem Weg in Richtung Großerzeugerprojekten mit hoher Wirtschaftlichkeit. „Die bestehende 30-MW-Anlage Hywind Scotland zeigt, dass schwimmende Offshore-Windenergieanlagen funktionieren, und Hywind Tampen wird mit einer Leistung von 88 MW schon fast dreimal so groß sein.
Wir hoffen, in ein paar Jahren ein 200- bis 400-MW-Projekt realisieren zu können, und dann dürfte irgendwann auch Großvorhaben mit mehr als 1.000 MW nichts mehr im Wege stehen“, so Eik. „Ich sollte noch erwähnen, dass wir bei Hywind Tampen derzeit Kosteneinsparungen von rund 40 % gegenüber Hywind Scotland erzielen. Mit Blick auf die Zukunft dürften also weitere deutliche Kostensenkungen möglich sein, die das nächste größere Projekt nach Hywind Tampen noch wirtschaftlicher machen werden. So Hywind Tampen is clearly a technological and industrial development project, a steppingstone to building an industry of great importance which creates value by producing clean energy and at the same time reducing CO2 emissions.”
Hohes Tempo von den Anfängen bis zur Großinvestition
Obwohl die Branche für schwimmende Windenergie vor fünf Jahren noch in ihren Kinderschuhen gesteckt habe und die Zahl der Skeptiker noch immer groß sei, so Erik Rijkers, Director of Market Development & Strategy beim Marktforschungsunternehmen Quest Floating Wind Energy, sei bereits eine Menge in Bezug auf neue Schwimmkonstruktionen, maßstabstreue Prototypen, vorkommerzielle Projekte und neue Akteure erreicht worden. „Der Markteintritt von Unternehmen wie Equinor, Repsol, SBM, Aker Solutions und kürzlich erst Shell sorgt für viel Bewegung in dieser jungen Branche, deren Fähigkeit zur Serienfertigung von 50 oder 100 schwimmenden Windenergieanlagen dadurch letztlich gestärkt wird“, erklärt Rijkers.
“Floating wind energy is a fast-moving market,” he continues, “and Europe has been the global ‘test bed’. Der Erfolg von Projekten wie Hywind Scotland und Windfloat Atlantic wird den Export dieser Technologie in die USA und nach Asien noch vor 2025 vorantreiben. Unterstützt mit reichlich finanzieller Rückendeckung, wird dieser Schritt in Richtung Großprojekten dazu beitragen, die allgemeine Effizienz zu verbessern und die Kosten deutlich zu senken. In Verbindung mit zusätzlicher staatlicher Unterstützung für den langfristigen Ausbau schwimmender Windenergieanlagen dürfte dieser Trend weitere europäische Projekte wirtschaftlicher machen.“
In vielen Ländern stehen nur tiefe Gewässer zur Verfügung
Charlotte Obhrai, Associate Professor für Offshore-Windenergie an der Universität Stavanger in Norwegen, bescheinigt schwimmenden Windenergieanlagen eine vielversprechende Zukunft.
„Wenn wir die Energieziele der Zukunft erreichen wollen, kommen wir an Windenergie nicht vorbei“, sagt Charlotte Obhrai.
„In vielen Ländern sind aber die leichter zu erreichenden Nearshore-Standorte bereits verbaut. Hinzu kommt, dass einige Länder wie Japan nur wenige oder gar keine Standorte in flachen Gewässern haben. Tiefere Standorte sind also die Zukunft, und das bedeutet, dass die Anlagen schwimmen müssen.“ Auch seien die Windgeschwindigkeiten weiter draußen in der Regel höher, und damit auch die erzeugte Leistung, da sie in der dritten Potenz abhängig von der Windgeschwindigkeit ist.
Demnach schlägt sich bereits ein leichter Anstieg der durchschnittlichen Windgeschwindigkeit erheblich in der Leistung nieder, und so muss sich auch die Technologie weiterentwickeln, um dieses Potenzial zu erschließen. Das bleibt natürlich nicht ohne Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf die Bau- und Montagekosten für die schwimmende Unterkonstruktion. „Es werden derzeit zahlreiche Konzepte verwendet und getestet", erklärt Obhrai. „Am Ende wird es sehr wahrscheinlich verschiedene Konstruktionen geben, zumal die geeignete Lösung für einen bestimmten Standort von verschiedenen Faktoren abhängt, wie der Tiefe des nächsten Hafens, den Fertigungskompetenzen und -kapazitäten vor Ort usw.“
Ausblick positiv, aber Trends nur schwer absehbar
Matthew Hannon, Dozent an der University of Strathclyde im schottischen Glasgow, rät zu Vorsicht bei der Einschätzung der künftigen Entwicklung schwimmender OWEA, erkennt aber einen eindeutigen und positiven Trend. „Obwohl die langfristigen Aussichten optimistisch sind, lässt sich die Zukunft dieses Marktes nur schwer hochrechnen, zumal es bislang nur eine sehr kleine Zahl schwimmender OWEA gibt. Und jedes Projekt, das nicht realisiert wird, kann sich negativ auf das Vertrauen in die Branche auswirken“, sagt Hannon. „Unter Berücksichtigung aller Faktoren rechnen wir aber dennoch bis 2030 mit einem sehr stabilen Wachstum der weltweiten Kapazitäten schwimmender Windenergieanlagen.
Der springende Punkt ist, dass dieses Wachstum sehr stark den einstigen Wachstumsraten der Nearshore-Windenergie folgt. Kommt es bis dahin nicht zu unvorhersehbaren Problemen, dürfte das Geschäft mit schwimmenden OWEA spätestens in den 2030er Jahren so richtig in die Gänge kommen. Schwimmende OWEA werden dann, ähnlich wie Nearshore-Anlagen heute, eine legitime risikoarme Energieinvestition mit ähnlichen dynamischen Wachstumsraten sein.“
Aufregende Zeiten stehen bevor
Das genaue Tempo, mit dem der Offshore-Windsektor wachsen wird, ist eindeutig Interpretationssache. Doch der Trend ist unverkennbar und es wird sicherlich interessant, zu sehen, wie sich sowohl der Markt als auch die Technologie in den kommenden Jahren entwickeln.
Sind Schraubenverbindungen die Schwachstelle?
„Die Beurteilung der Lebensdauer von Schrauben ist eine große Herausforderung für die Branche, denn es handelt sich dabei um den schwächsten Punkt in einer Windenergieanlage.
Hier scheint es auch einen blinden Fleck zu geben, da die Schrauben in den Standardberechnungen der Lebensdauer, die alle auf aeroelastischen Modellen basieren, nicht berücksichtigt werden.“
David McMillan von der University of Strathclyde in Glasgow
„Vorhersagen zur Leistung und Zuverlässigkeit von Schraubenverbindungen während der Lebensdauer eines Schwimmkörpers sind schwierig, was sowohl mit ihrer Größe als auch mit den rauen Bedingungen zu tun hat, unter denen sie zum Einsatz kommen.“ Tomas Svendsen – Nord-Lock Group Norwegen